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Ich liege auf dem Behandlungstisch und mein Kopf beginnt sich auf einmal unwillkürlich zu bewegen. Erst kleine Bewegungen, die sich dann jedoch ausbreiten und meinen ganzen Körper einnehmen. Mit aller Kraft und Mühe versuche ich mich Stück für Stück durch den gerade sich öffnenden Muttermund zu bewegen – und das mit 34 Jahren. Wie kann das sein? Ich habe vor kurzem im Rahmen einer Weiterbildung meine Geburt nachprozessiert – das heißt noch einmal erlebt.
Wusstest du, dass die Geburt nicht nur den physischen Übergang aus dem Mutterleib in die Welt markiert, sondern auch tiefgreifende emotionale und psychische Auswirkungen haben kann. In der prä- und perinatalen Psychotherapie geht man davon aus, dass bereits die ersten Monate im Mutterleib sowie die Geburtserfahrung selbst eine prägende Wirkung auf das spätere Leben haben. Das, was das Kind in dieser Zeit erlebt – sei es Geborgenheit oder Stress, Sicherheit oder Angst – beeinflusst das emotionale und psychische Fundament des Lebens.
Die Geburt als Erlebnis ist oft mit starken Gefühlen und körperlichen Prozessen verbunden, die den Startpunkt für die spätere Persönlichkeitsentwicklung bilden. Eine traumatische Geburt, etwa durch schwierige Geburtsverläufe oder mangelnde Bindungserfahrungen nach der Geburt, kann tiefgreifende Spuren hinterlassen. Aber wie zeigt sich das konkret?
Ich habe hier eine paar Aspekte aufgelistet, welche Auswirkungen unsere frühen Erfahrungen haben können. Diese Liste würde sich sicher noch um einiges erweitern lassen:
Frühkindliche Bindung und Urvertrauen
Positive Geburtserfahrungen fördern ein starkes Urvertrauen und eine stabile Bindung zu den Eltern. Traumatische oder belastende Geburtserfahrungen können zu Bindungsängsten und Schwierigkeiten in späteren Beziehungen führen – auch das Vertrauen in die Welt kann erschüttert sein.
Emotionale Prägung
Stress oder Angst vor und während der Geburt können die emotionale Entwicklung beeinflussen und zu Ängsten oder Unsicherheiten im späteren Leben führen. Eine gelungene Geburtserfahrung mit präsentem Bonding unterstützt eine stabile emotionale Grundlage und Entwicklung.
Stressreaktionen und körperliche Symptome
Ein schwieriger Geburtsverlauf kann zu chronischen Stressreaktionen führen, die sich in körperlichen Beschwerden wie z.B. Verspannungen oder Verdauungsproblemen äußern kann.
Prägende Erfahrungen in der frühen Entwicklung
Erlebnisse während der Schwangerschaft und der Geburt können das neurologische System und die hormonelle Balance des Kindes langfristig prägen, was wiederum die psychische Gesundheit beeinflusst.
Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung
Eine überwältigende Geburt kann die Selbstwahrnehmung und das Selbstwertgefühl negativ beeinflussen, z.B. durch das Gefühl, nicht willkommen oder gewollt zu sein. Ein positives Geburtserlebnis fördert ein starkes Gefühl der Selbstakzeptanz und des „Gesehen-Werdens“.
Prägung von Bindungsstilen
Die Qualität der ersten Interaktionen mit den Eltern direkt nach der Geburt beeinflusst den späteren Bindungsstil (sicher, ängstlich, vermeidend, desorganisiert).
Ob eine Geburt nachhaltige Spuren in unserem Nervensystem und in der Entwicklung hinterlässt, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Auch schwierige Geburten können verdaut und integriert werden. Hierbei sind eine sichere Bindungserfahrung, das Bonding nach dem Geburtsprozess sowie die ersten Wochen und Monate in einem ruhigen, präsentem und stabilen Familiensystem sehr hilfreich.
Zurück zu meiner Geburtserfahrung von vor ein paar Wochen. Bei meiner tatsächlichen Geburt vor 35 Jahren gab es einige Herausforderungen wie zum Beispiel die Nabelschnur um den Hals, abfallenden Herztönen, Ängste, Kaiserschnitt, Brutkasten und mehr. In meinen therapeutischen Selbsterfahrungen verdichteten sich immer mehr die Hinweise, dass meine Geburt Spuren und Ladung in meinem Nervensystem hinterlassen hat, die sich auch heute noch z.B. in Form von Mustern und Meanings zeigen.
In den Zellen sind die Erinnerungen an Geburt und Vorgeburtszeit gespeichert und so kann der Körper uns einen Zugang zu diesen frühen Erfahrungen ermöglichen. Manchmal passiert das von allein – im Rahmen einer tiefen Cranio Behandlung. Es kann aber auch bewusst eingeladen werden so wie in meiner letzten Selbsterfahrung. Dabei hat meine Therapeutin den Muttermundabdruck am Schädelknochen gesucht, diesen mit einem speziellen Griff simuliert und so alte Geburtserinnerungen aktiviert. Der daraus sich entfaltete Prozess fühlte sich für mich ein sehr befreiend an und bot mir die Möglichkeit neue korrigierende Erfahrungen zu machen.
Ich selbst habe schon zahlreiche Kinder und Mamas begleitet, die in den ersten Monaten oder Jahren nach einer herausfordernden Geburt zu mir kamen. Die Nervensysteme spüren, dass der Raum sicher genug ist, sich dieser prägenden Erfahrungen noch einmal zu widmen. Die neu verhandelte und nachprozessierte Geburt ermöglicht oft tiefere Verbindung und Sicherheit zwischen Eltern und Kind und bringt enorme Entlastung ins gesamte Familiensystem.
Ich bin davon überzeugt, dass die Geburt weitreichende Auswirkungen auf unser Leben hat. Durch das Nachverarbeiten dieses Ereignisses können wir überwältigende Erfahrungen verarbeiten und integrieren und so ein Schritt hin zu einem erfüllteren Leben machen.
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